Im Schatten deiner Schuld

Im Schatten deiner Schuld

Thriller

Als Lexi hört, dass ihre Jugendliebe Charlie nach Altenhofen zurückgekehrt ist, ist sie entsetzt. Zehn Jahre sind vergangen, seit er sie verlassen hat, zehn Jahre seit dem tragischen Feuertod ihrer Schwester Alice. Lexi ist fest entschlossen, die Vergangenheit endlich hinter sich zu lassen, und in ihrer Zukunft gibt es für Charlie keinen Platz mehr. Doch die Auseinandersetzungen mit ihrem Verlobten häufen sich, und als Lexi ein Foto von Alice, aufgenommen am Tag ihres Todes, eingeklemmt hinter ihrer Windschutzscheibe findet, gerät ihr Leben zusehends aus den Fugen. Immer mehr merkwürdige Dinge geschehen, und obwohl alles mit Charlies Rückkehr zusammenzuhängen scheint, ist er der Einzige, der ihr zur Seite steht. 

Aber Charlie hat Geheimnisse. Kann sie ihm wirklich vertrauen? Wer hat es auf Lexi abgesehen? Und was hat es mit Lexis neuer Patientin auf sich, deren Lebensgeschichte ihr so unter die Haut geht?

Leserstimmen

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Leseprobe (Kapitel 1)

Leseprobe (Kapitel 1)

Der Duft von frischen Brötchen weht mir entgegen, als ich die Tür zu Claras Backstube aufstoße. Ich atme tief ein, lasse mich von der Wärme umfangen und spüre, wie die Verspannung in meinem Nacken nachlässt. Die Kälte macht sich bemerkbar. Seit Tagen liegen die Temperaturen im zweistelligen Bereich unter Null – der Januar macht der kalten Jahreszeit alle Ehre.

Den Schnee von meinen Stiefeln schüttelnd schlendere ich gemächlich auf einen Platz in der Ecke nahe dem Fenster zu. Das Claras verfügt nur über eine Handvoll Tische, abgesehen von meinem Stammplatz ist so früh am Morgen keiner besetzt.

Clara, die Besitzerin der Bäckerei, hebt zur Begrüßung kurz die Hand in meine Richtung, bevor sie sich wieder den Grundschulkindern zuwendet, die sich um die Theke scharen. Gegen acht herrscht hier reger Betrieb, wenn die Kinder in Begleitung ihrer ungeduldigen Eltern hereindrängen, um vor Beginn der ersten Stunde noch rasch ein Pausenbrot zu kaufen oder eine von Claras berühmter Leckereien zu ergattern.

Ich beobachte, wie die rundliche Bäckerin einem Jungen, dessen zerzauster Haarschopf kaum hinter dem Verkaufstresen hervorlugt, unbemerkt vor den Augen seiner Mutter eine Praline zusteckt, und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Clara Mayrhofer ist eine Seele von einem Menschen. Sie leitet das Claras, einen über Generationen familiengeführten Betrieb, so lange ich denken kann. Schon als kleines Mädchen kamen meine Schwester Alice und ich oft nach der Schule hierher, um uns von unserem Taschengeld eine Zimtschnecke zu kaufen, oder unsere Hausaufgaben im Beisein der Bäckerin zu erledigen. Und auch wenn Clara inzwischen auf die Siebzig zugehen muss, zeugt das Blitzen in ihren Augen immer noch von jugendlichem Charme.

Mein Blick wandert aus dem Fenster. Die Fußgängerzone von Altenhofen ist erfüllt von winzigen Schneeflöckchen, die durch die Luft tanzen, und Parkbänke, Straßenschilder und Hydranten wie Puderzucker einhüllen. Ein wahrhaft märchenhafter Anblick. Die Menschen auf der Straße scheinen von dem Winterzauber allerdings weniger entzückt zu sein. Eingepackt in dicke Schals und Mäntel eilen sie mit gehetzten Mienen vorbei, einige mit Aktentaschen in den Händen, andere bahnen sich mit Kleinkindern im Arm den Weg durch den Schnee. Mit einem Lächeln wende ich mich ab. Ich liebe meine morgendlichen Besuche in Claras Laden, auch wenn ich dafür früher aufstehen muss. Ich genieße es, in Ruhe das Lokalblatt durchzublättern, Leute zu beobachten oder mit Clara zu plaudern, bevor mich der Trubel des Alltags in Beschlag nimmt. Diese eine Stunde am Morgen gehört nur mir, und genau deshalb ist sie unbezahlbar für mich.

Nachdem sich die jungen Gäste, begleitet von dem mahnenden Gemurmel ihrer Eltern, in Richtung Schule davongemacht haben, klopft sich Clara die Hände an ihrer Schürze ab und kommt an meinen Tisch.

„Guten Morgen, Lexi. Tut mir leid, dass du warten musstest. Dasselbe wie immer?“

„Ach, das macht nichts.“ Einen Moment bedenke ich die Glasvitrine und die köstlich aussehenden Eclairs darin mit einem sehnsüchtigen Blick, dann jedoch siegt die Vernunft. „Einen Café Latte und ein Müsliweckerl bitte.“

Schmunzelnd verschwindet Clara in Richtung Kaffeeküche und kehrt kurz darauf mit zwei dampfenden Tassen und einem Teller mit dem Gebäck zurück. Schwer atmend lässt sie sich auf den Stuhl neben mir fallen. Der Kaffee duftet köstlich. Wie immer hat Clara an alles gedacht und den Latte mit einer Extraportion Zimt garniert.

Himmlisch.

„Was für ein Morgen.“ Stöhnend fährt Clara sich mit der Hand über das gerötete Gesicht. „Erwin liegt mit einer Erkältung im Bett. Ich war in der Backstube ganz auf mich gestellt. Das war ein Stress, sage ich dir.“

„Das tut mir leid. Was hat er denn? Es hat ihn hoffentlich nicht allzu schlimm erwischt?“

Clara schnaubt. „Hört sich eher nach Männergrippe an, wenn du mich fragst. Du weißt ja, wie die Männer sind. Ein bisschen Halsweh und Schnupfen, und schon glauben sie, sie stehen mit einem Bein im Grab.“ Sie winkt ab. „Alles halb so wild.“

Prustend stelle ich die Tasse auf dem Tisch ab. Beinahe hätte ich mich vor Lachen an meinem Getränk verbrüht.

„Und wie geht es dir, Herzchen? Was machen die Hochzeitsvorbereitungen? Habt ihr euch endlich für einen Termin entschieden?“

Unwillkürlich wandert mein Blick zu dem Ring an meiner linken Hand. Es ist ein schlichtes Schmuckstück, ein filigraner Brillant in einer dünnen, weißgoldenen Fassung.

„Was glaubst du denn.“ Ich seufze. „Das Datum ist weniger das Problem als Ort und Gästeliste. Karls Eltern bestehen auf eine große Feier mit mindestens hundertzwanzig Gästen.“ Ich verziehe das Gesicht. „Ich würde das Ganze viel lieber in kleinem Rahmen halten, aber wie es aussieht, stehe ich da auf verlorenem Posten. Ich hab ein bisschen herumtelefoniert – vor Juni nächsten Jahres ist nichts zu machen.“

Clara wirft mir einen raschen Blick von der Seite zu, sagt jedoch nichts. Das muss sie auch nicht. Ich kenne Clara und weiß ohnehin, was sie denkt. Ich bin dreißig, und die feinen Linien auf meiner Stirn erinnern mich jeden Tag daran, dass ich nicht jünger werde. Nicht, dass mir das Älterwerden besonders viel ausmachen würde, aber die biologische Uhr tickt, und wenn ich meine Familiengründungspläne in die Tat umsetzen möchte, sollte ich eher früher als später damit anfangen.

„Hast du das von Frau Stegner eigentlich schon gehört?“, wechselt Clara schließlich das Thema.

„Hm?“ Ich kaue gerade und kann sie nur fragend anschauen. Die Bäckerin seufzt bekümmert. „Ich dachte, das hätte sich inzwischen herumgesprochen. Stell dir vor, die Arme hatte einen Herzinfarkt! Es muss am Wochenende passiert sein. Die Pflegerin hat sie am Montag tot in ihrem Lehnstuhl gefunden.“

Mit offenem Mund starre ich Clara an. „Was?“

Sie nickt düster. „Ja. Ganz plötzlich. Dabei ist sie kaum älter als ich. Schreckliche Sache.“

Der Schock trifft mich aus dem Nichts, und einen Moment bin ich wie erstarrt. Maria Stegner – tot? Die Alte war praktisch ein Urgestein des Dorfs. Ihr Haus liegt zwei Gassen von meinem entfernt, und von gelegentlichen Begegnungen beim Spazierengehen oder im Supermarkt abgesehen, haben wir uns in den letzten Jahren nur selten gesehen. Doch es gibt einen anderen Grund, warum mich diese Nachricht mit solcher Unruhe erfüllt.

„Das ist ja furchtbar.“ Ich bringe die Worte kaum hervor. „Wann soll die Beerdigung stattfinden?“

„Nächsten Sonntag. Ihr Neffe hat mich gestern angerufen und gefragt, ob Erwin und ich das Buffet für die Trauerfeier organisieren können. Versteht sich von selbst, dass wir das machen. Immerhin kennen wir Maria schon unser Leben lang.“

Ich habe das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren.

„Marias – Neffe?“

Clara runzelt die Stirn. „Ja. Charlie. Der Sohn ihrer Schwester. Erinnerst du dich nicht an ihn?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, schnalzt sie missbilligend mit der Zunge. „Kein Wunder. Muss Jahre her sein, dass er sich zuletzt hier hat blicken lassen. Und das, wo er doch Marias letzter noch lebender Verwandter ist! Eine Schande. Na ja, wie auch immer. Jedenfalls sollte er in den nächsten Tagen eintreffen.“

Ich sehe aus dem Fenster. Erinnerungsfetzen bahnen sich unbarmherzig ihren Weg in mein Bewusstsein.

Charlies Gestalt, die vor mir den Waldweg entlangläuft und lächelnd die Hand nach meiner ausstreckt. Das Flattern wie von tausend Schmetterlingen in meinem Bauch, während seine Finger zärtlich über mein Gesicht streifen. Der Ausdruck in seinen Augen, bevor er sich herabbeugt, um mich zu küssen. Alice‘ anklagender Blick, die Arme vor der Brust verschränkt. Alice, die … Stopp. Unter Aufbringung all meiner mentalen Kraft dränge ich die Erinnerungen in die dunkle Kammer meines Hinterkopfes zurück, wo sie hingehören.

„Jetzt, wo du es sagst, erinnere ich mich an ihn“, erwidere ich beiläufig und hoffe, dass Clara taktvoll genug ist, nicht weiter nachzubohren. „War er nicht zum letzten Mal in Altenhofen in dem Jahr, in dem Alice …“ Ich bringe den Satz nicht zu Ende.

Sanft streicht Clara mit ihrer schwieligen Hand über meinen Unterarm. „Stimmt. Tut mir leid, Lexi. Das hatte ich total vergessen.“

„Schon in Ordnung.“ Meine Stimme klingt gepresst, aber ich ringe mir ein Lächeln ab. „Ist schließlich ewig her. Elf Jahre werden es im Herbst.“

Clara nickt und mustert mich besorgt.

„Ich muss jetzt ohnehin los.“ Hastig erhebe ich mich und stopfe mir den Rest meines Frühstücksweckerls in den Mund. Meine Hände zittern, als ich nach meinem Mantel greife, und ich hoffe, dass Clara nichts von meinem Gefühlschaos mitbekommen hat. Mein Kopf ist wie leergefegt, und bleierne Schwere hat von mir Besitz ergriffen.

Charlie ist zurück. Und das ausgerechnet jetzt.

Mit einer eiligen Umarmung verabschiede ich mich von Clara und trete nach draußen ins Schneegestöber.

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Dr. Sophie Rojahn

Grinzinger Straße 51/2, 1190 Wien, Österreich

Autorin

E-Mail: mail@sophieedenberg.com

ATU75571524

Mitglied der WKO, Gewerbe des Buchverlags, Verleihungsstaat: Österreich

Zuständige Gewerbebehörde: Magistratisches Bezirksamt für den 18./19. Bezirk

Anwendbare Rechtsvorschriften: GewO

© 2023 Sophie Edenberg. Rechte vorbehalten.

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